Plaschy/Albrecht: Ein Trainerduo wie kein zweites

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Foto: Dominic Steinmann

Didier Plaschy und Daniel Albrecht haben bewegte Karrieren als Skirennfahrer hinter sich. Nun fördern sie gemeinsam den Nachwuchs in ihrer Walliser Heimat. Von zwei Unkonventionellen, die sich treu geblieben sind.

Wer in der grossen weiten Skiwelt kann schon von sich behaupten, von zwei so illustren Persönlichkeiten gecoacht zu werden wie diese Jugendlichen aus dem Oberwallis? Ihr Cheftrainer: Didier Plaschy, 50, als Athlet Sieger zweier Weltcup-Slaloms, als Trainer der Spiritus Rector hinter dem verblüffenden Aufstieg von Ramon Zenhäusern an die Weltspitze. Ihr Co-Trainer: Daniel Albrecht, 40, Kombinationsweltmeister von 2007, ein Skistar, dessen Schicksal die Schweiz noch viel mehr bewegte als dessen Erfolge. Zusammengefunden haben Plaschy und Albrecht im Regionalen Leistungszentrum (RLZ) Rottu Racing, einem von acht RLZ von Ski Valais.

Es dürfte kein Zufall sein, dass der Trainingsbesuch ausgerechnet am 29. Februar zustande kommt. Plaschy, Albrecht und die Konstellation mit ihnen beiden sind mindestens so besonders wie ein Schalttag.

Kunterbunt und auserwählt

Didier Plaschy aus Varen im Bezirk Leuk war der Slalomspezialist, der so oft ausschied, dass es zum Verzweifeln war; der Ende 1999 plötzlich von Fortuna geküsst worden zu sein schien und innert vier Wochen in Vail und Kranjska Gora triumphierte; der mit 32, vier Jahre nach dem Rücktritt, ein Comeback gab und es beinahe nochmals in den Weltcup schaffte. Plaschy ist aber auch ein so kunterbunter Charakter, dass man das Klischee von den Verrückten im Stangenwald bestätigt glauben könnte. Er fiel schon zu Aktivzeiten als Schnelldenker und Schnellredner auf, der in sieben Sprachen konversierte – und Dudelsack spielte. 

Daniel Albrecht aus Fiesch im Bezirk Goms galt früh als auserwählt, den Skisport zu prägen. Als er 2003 dreifacher Junioren-Weltmeister wurde, regte er die Fantasie an in der damals darbenden Skination. Schon als 18-Jähriger hatte Albrecht den Manager Giusep Fry angerufen und sich so vorgestellt: «Ich bin Dani Albrecht, und ich will der weltbeste Skifahrer werden.» Mit 23 wurde er Weltmeister in der Kombination und WM-Zweiter im Riesenslalom, es folgten vier Weltcup-Siege – und der grausame Sturz am 22. Januar 2009 in Kitzbühel. Albrecht erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, schwebte in Lebensgefahr, lag drei Wochen im künstlichen Koma. Dass ihm die Rückkehr in den Weltcup gelang, sogar in die Punkteränge, hatte etwas Wundersames. Doch der Weg zurück an die Weltspitze war zu weit – 2013 erklärte Albrecht den Rücktritt.

Albrecht schloss danach eine Ausbildung zum Mentaltrainer ab, er begleitete Lara Gut-Behrami während einiger Skitrainingskurse als Coach. Er absolvierte den Berufstrainerlehrgang, doch die Prüfung liess er sein. 

Zehn Jahre nach dem Sturz hatte sich Albrecht recht weit vom Skirennsport entfernt und anderen Dingen zugewandt. Er genoss das Familienleben mit seiner Frau Kerstin und der 2016 geborenen Tochter Maria, das tolle neue Holzhaus daheim in Fiesch. Aus dem privaten Bauprojekt war auch eine Geschäftsidee entstanden, Albrecht gründete seine Mondhaus GmbH, die seither Häuser aus naturbelassenem Mondholz realisiert. Mittlerweile verfolgt er noch eine andere Idee: Albrecht möchte eine eigene Schule errichten, ja einen ganzen Campus, zum Leben und Lernen, von der Kita bis zum Altersheim. Darauf gekommen ist er wegen seiner Tochter, die in Brig eine alternative Bauernhofschule besucht.

Wetten gegen alle Wahrscheinlichkeit

Wenn Albrecht davon erzählt, klingt er wieder wie der 18-Jährige, der der weltbeste Skirennfahrer werden wollte. Wie damals treibt ihn eine Vision an, ein scheinbar übergrosses Ziel, von dem er nicht wirklich weiss, ob und wie er es erreichen kann. Aber zumindest versuchen muss er es. Wie damals geht Albrecht eine Art Wette gegen alle Wahrscheinlichkeit ein. Albrecht braucht grösstmögliche Herausforderungen, um das Beste aus sich herauszuholen.

Es ist ein Wesenszug, der ihn mit Didier Plaschy verbindet. Auch Plaschy war eine Zeit lang auf Distanz gegangen zum alten Metier, er hat sich stets noch für anderes interessiert, studierte Psychologie und Pädagogik. Seine neue Bestimmung fand er dann aber doch wieder im Skirennsport: als Trainer. Als Berufsneuling traf er am Nationalen Leistungszentrum in Brig auf den damals 16-jährigen Ramon Zenhäusern, der einst Mitglied in seinem Fanclub gewesen war. Zenhäuserns weiterer Weg wurde quasi zu Plaschys Wette gegen alle Wahrscheinlichkeit.

Ramon Zenhäusern ist bekanntlich zwei Meter gross, allein deswegen hatte ausser dem Vater Peter Zenhäusern niemand ernsthaft an ihn geglaubt – bis Plaschy in sein Leben trat. Plaschy entwickelte ausgefallene Trainingsmethoden, manche Athleten konnten nichts damit anfangen, doch Zenhäusern war Feuer und Flamme. «Am Anfang stand die Frage: Kann aus einem Würfel eine Kugel werden?», erzählte Plaschy einmal dem «Walliser Boten». Plaschy liess die Frage nicht mehr los.

Zenhäusern lief auf sein Geheiss noch vor der Schule Schlittschuh, fuhr mit Langlaufski die Hänge runter, trainierte Kickboxen und auf dem Trampolin. Plaschy stellte ihn auf ein Kickboard und zog ihn mit dem Auto über Parkplätze. Er reiste mit ihm zum Surfen statt ins Rennvelo-Camp. All das mit dem Ziel, dass sich Zenhäusern die Fähigkeit aneignet, seinen schlaksigen Körper in den Slalomtoren jederzeit im Gleichgewicht zu halten, weder in Vor- noch in Rücklage zu geraten, was bei solchen Hebeln viel grössere Auswirkungen hätte.

«Ich kann schalten und walten»

Ramon Zenhäusern hat bis heute unter anderem eine olympische Silbermedaille und sechs Weltcup-Rennen gewonnen. Sein Weg an die Weltspitze ist die Masterarbeit des Skitrainers Plaschy, der ihn immer wieder als sein Versuchskaninchen bezeichnet hat, der alte Denkmuster hinterfragt und eine eigene Philosophie entwickelt hat. 2012 hatte der damalige Männer-Cheftrainer Osi Inglin diesen Freigeist zu Swiss-Ski geholt. Plaschy blieb drei Jahre, hatte aber keinen einfachen Stand, er und seine Arbeitsweise waren wohl doch zu wenig systemkonform. Umso grösser war Plaschys Genugtuung, als dem Zögling Zenhäusern 2018 der grosse Durchbruch gelang.

Nach fünf Jahren als Co-CEO von Ski Valais wirkt Plaschy seit der Saison 2023/24 als Cheftrainer im RLZ Rottu Racing. «Swiss-Ski gab mir die Möglichkeit, mir selber zu bestätigen, dass ich auf dem richtigen Weg bin», beginnt Plaschy zu rekapitulieren. «Ski Valais erwies sich als zu grosse Organisation, um den vollen Wirkungsgrad zu erzielen. Jetzt, im RLZ, stimmt die Grösse. Es ist überschaubar, ich kann schalten und walten, wie es meinen Überzeugungen entspricht.»

Plaschy geht mit seinen Schützlingen auch einmal in den Schwingkeller. Oder in den Europa-Park, um auf der Achterbahn Silver Star die Atemtechnik zu schulen.

Schweben wie Marty McFly

Albrecht unterstützt Plaschy tageweise, er hatte das Mandat nicht gesucht, sah aber einen Reiz in einer solchen Zusammenarbeit unter Nonkonformisten. Und so hat auch er in den Skirennsport zurückgefunden. «Wir denken in vielem genau gleich, reden aber komplett unterschiedlich», sagt Albrecht. Plaschy ist lauter, er mag es, mit Codewörtern zu kommunizieren, die ganze Bewegungsabläufe versinnbildlichen: Pistolero, Ferrari, Katzensprung. Plaschy führt die Gruppe, Albrecht bringt sich subtiler ein. Er beobachtet viel, stellt den jungen Fahrerinnen und Fahrern Fragen, auf die sie bestenfalls selber Antworten finden. «Ich könnte nicht 20 Kinder unter Kontrolle halten, ich gäbe ihnen zu viele Freiheiten», sagt Albrecht. Er sieht sich als Impulsgeber, der eine andere, distanziertere Perspektive einnimmt – und heranzoomt, wenn ihm etwas auffällt.

Plaschy verfolgt das Ideal vom Gleichgewicht in allen Lagen ungebrochen enthusiastisch und experimentierfreudig. Immer wieder probiert er neue Trainingsgeräte aus, die nur gekonnt fortbewegen kann, wer die nötige körperliche Stabilität aufbringt. Geräte, auf denen der Mensch Passagier und Pilot zugleich ist – wie auf Ski. «Ich habe nun vier Pump-Foil-Bretter bestellt», erzählt Plaschy. Der Vortrieb, um damit über das Wasser zu gleiten, muss quasi aus den Beinen gepumpt werden, anders als beim Kitesurfen kann man nicht den Wind für sich arbeiten lassen.

Eine andere Leibesübung, die gerade hoch im Kurs ist bei Plaschy: einbeinig auf einem Carver-Skateboard fahren. «Doch das Gerät, das mich restlos zufriedenstellen würde, ist noch nicht erfunden», sagt er. «Es wäre so etwas Ähnliches wie das Hoverboard von Marty McFly.» Plaschy ist nun also beim schwebenden Skateboard aus dem Science-Fiction-Film «Zurück in die Zukunft» angelangt.

Didier Plaschy und Daniel Albrecht: Unvorstellbar, dass sich die Jungs und Mädels von Rottu Racing jemals langweilen werden mit diesen beiden.